Guerilla Gourmets

Da haben wir den Salat!

Wollmütze statt Strohhut, Stiefel statt Adilette, Hochwasser statt Baggersee, - ja der Sommer dieses Jahr hat ganz schön auf sich warten lassen. Doch endlich ist er da, und dass so heiß, dass man sich am liebsten mit einer laut knallenden Arschbombe von der nächsten Brücke in den Fluss schmeißen mag – wundervoll! Im Garten, auf der Terrasse oder dem Balkon stehen, den Grill anschmeißen, handgeformte Burgerbuletten auflegen oder Sardische Salsiccia und Maghreb Merguez. Drei Finger dicke Ribeye-Steaks mit Fleur de Sel beträufeln oder auch einfach nur den marinierten Schweinenacken von der Tanke mit Senf beschmieren, das ist die Lieblingsjahreszeit des grillgut-geneigten Guerilla Gourmets.
Doch diesen Sommer ist bei mir alles anders als letztes Jahr, und das Jahr davor, und das Jahr davor, und das Jahr davor. Kurz nach meinem Geburtstag im April wagte ich einen Schritt, den ich schon sehr, sehr lange nicht mehr gewagt hatte, einen äußerst verhängnisvollen - den Schritt auf die Waage! „Verdammt, dreistellig!“ schoss es mir durch den Kopf als ich auf die eingestaubte Digitalanzeige schaute. Ich hatte es geahnt, auch der routinierteste Duckface-Automatismus beim am Spiegel Vorbeihuschen hatte mich nicht mehr darüber hinwegtäuschen können, dass die Guerilla-Gourmet-Gaumenfreuden der letzten Jahre pfundige Spuren hinterlassen hatten. Die Kilos mussten wieder runter!
Mir blieb nur eins, - eine DIÄT.  Bei diesen vier Buchstaben dreht es mir den Magen um. Eine Diät, das ist für mich als ob man einem DJ den Plattenkoffer klaut, dem japanischen Touristen die Kamera wegnimmt, oder dem Hipster den Bart rasiert. Doch es half alles nichts, es musste sein! Also ab in den Supermarkt und alles anders machen: Körnerbrot statt Baguette, Hühnerbrust statt Schweinerippe, Joghurt statt Creme Fraiche, Vittel statt Coca Cola lautet die Devise.
Eigentlich ganz simpel, aber doch ne Riesenumstellung, - gerade für mich! Beim Blick in den Einkaufswagen erkannte ich mich selbst nicht mehr, sollte das wirklich meiner sein? Ungesüßte Voll-Cornflakes, Halbfett-Milch, Tüten voller Gemüse und Obst. An der Kasse angekommen plötzlich die Panikattacke: „Was ist wenn einer der Guerilla-Gourmets in der Schlange auf mich lauert? Wenn ich ertappt werde? Wenn jemand sieht, was ich hier einkaufe? Puh - Erleichterung! Keiner zu sehen, schnell alles einpacken und ab nach Hause.“ Ich fühlte mich wie ein 13-Jähriger der sich den Playboy am Zeitungskiosk kauft. Daheim angekommen packte ich erstmal die elektrische Currywurst-Schneidemaschine (mein ganzer Stolz) auf den Dachboden und kramte den ollen Wok hervor den ich schon seit Jahren nicht mehr benutzt hatte und schnippelte los. Lauchzwiebeln und Paprika, Hähnchenbrust und Champignons, frische Kräuter und Staudensellerie, alles kurz angebraten, einen Schuss Sojasoße dazu und über die Reisschüssel gekippt - gar nicht so schlecht! So ging das jetzt jeden Tag, morgens Obst und Joghurt im Mixer zum Smoothie geshaked, mittags einen Salat und abends „Reis mit Scheiß“ mit nach Tagesangebot wechselnden Ingredienzien. Mit fortschreitendem Perfektionismus, ersetze ich den Reis jetzt manchmal durch Couscous oder Quinoa,  (schwer zu empfehlen!) Und tatsächlich hatte ich nach ein paar Wochen das Gefühl, dass die Umstellung anfing Wirkung zu zeigen.
Eigentlich ging es mir richtig gut, wäre nur nicht dieses drückend schlechte Gewissen meinen Guerilla-Gourmet-Glaubensbrüdern gegenüber gewesen. Während ich hier an meinem Salatdressing feilte (Stichwort: Löffelspitze Kastanienhonig) gingen die bestimmt davon aus, dass ich mit BBQ-Marinaden für den Sommer experimentierte – ein unerträglicher Zustand. Es konnte nur einen Ausweg aus dem Diät-Dilemma geben, die Karten mussten schonungslos auf den Tisch! Auf unserem kleinen aber feinen Facebook-Forum war es in letzter Zeit sowieso ungewöhnlich ruhig geworden und so nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und sprach die unaussprechliche Wahrheit aus. „Ja, ich mache Diät“ – „Ja, ich esse viel Gemüse“ – „Ja, ich brauche Adressen von Lokalen wo man lecker Salat essen kann“. Mein Zeigefinger bebte und zitterte auf der Maus als ich mit dem Cursor auf den „Posten-Button“ klickte. Was würde passieren? Würden die Guerilleros mir die Freundschaft kündigen oder mich gar aus meiner eigenen Gruppe schmeißen? Ich war nervös, - sehr nervös!
Was dann kam, übertraf meine kühnsten Erwartungen. Zu meiner großen Überraschung las ich keinen einzigen doofen Kommentar sondern nur wundervolle Tipps. Jeder hatte einen Lieblingssalat, eine super Dressing-Idee oder kannte ein leckeres all-you-can-eat Salatbuffet. Zu meiner Freude wurden besonders die sonst eher etwas zurückhaltenden Gourmet-Guerilleras sehr aktiv. Dann meldete sich auch noch unser fast schon verschollen geglaubtes Guerilla-Maskottchen BIG MO und schrieb, er habe bereits 25 Kilo (!!!) abgespeckt und sei zur Zeit auch „voll auf Salat“. Ach ist es schön bei den Guerilla Gourmets, es hat fast ein bisschen was von „Anonyme-Alkoholiker-Romantik“ und egal was man isst, man wird immer akzeptiert. Wenn ihr also auf der Suche nach dem perfekten XXL-Burger mit krossem Bacon seid, oder auch wenn ihr grade voll auf Rohkost steht, schaut vorbei auf der Facebook Seite der Guerilla Gourmets! Ich selbst bin auch wieder zurück im zweistelligen Bereich und wälze Marinaden-Rezepte für das eine, große Belohnungs-BBQ, dass ich mir als Wiedergutmachung für die Entbehrungen dieses Sommers selbst versprochen habe. Scheiß auf JO-JO, - YOLO!

www.facebook.com/guerilla.gourmets
Text: AS
Bild: AS

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