Guerilla Gourmet Messe-Check!

Früh morgens, das Handy klingelt. „Andi, Lust mitzukommen auf die Fress-Messe nach Stuggi? Habe noch ne Karte.“ Es ist der Burgerbräter meines Vertrauens, der mich aus meinen frühmorgendlichen Träumen von Rührei und Speck weckt. „Na klar Marco!“ höre ich mich schlaftrunken murmeln. So einen Burger-Bummel durch die Messehallen lasse ich mir nicht entgehen. Gut zwei Stunden später stehen wir frisch akkreditiert und ziemlich ausgehungert am Ort des Geschehens. Noch im Zug hatten wir per Handschlag einen Pakt geschlossen, der uns im Laufe des Tages mehrfach den Schweiß auf die Stirn treiben sollte: „Was uns angeboten wird, das probieren wir auch, nichts wird abgelehnt!“
„Maaaaaaarcooo schön dass du es geschafft hast!“ höre ich eine tiefe Frauenstimme sagen, und plötzlich ist er verschwunden, mein eher kräftig gebauter italienischer Freund. Eine Walküre von unvorstellbarer Größe umschlingt ihn mit ihren äh… nennen wir’s mal wohlwollend: kräftigen Armen. Die freundliche Dame überragt uns um zwei Köpfe und bringt ein Kampfgewicht von gut drei Zentnern auf die Waage. „Tolle neue Produkte haben wir diesmal für euch, geht einfach rum und schaut euch alles an. Ich bin da wenn ihr mich braucht“. Nach der stürmischen Begrüßung zwubbeln wir unsere laminierten Messe-Pässe zurecht. Fast hätte Brunhilde uns damit stranguliert, aber wir haben überlebt und ziehen tapfer los aufs Fressfeld.
Das nächste Fräulein ist da schon eher ein Augenschmaus, im knappen Röckchen zwinkert sie uns verführerisch zu. „Na Jungs, ihr seht aus als hättet ihr noch nicht gefrühstückt“ haucht sie uns entgegen und drückt uns gleichzeitig einen Breakfast-Wrap in die Hand. Recht hat sie, und so beißen wir kräftig zu, in diesen bleichen Käse-Schinken-Rührei-Wickel. Fad und klebrig bröckelt es mir die Kehle herunter und in mir reifen die ersten Vorbehalte gegenüber unserer Wir-Essen-Alles-Vereinbarung. „Schnell was trinken, egal was“, schießt es mir durch den Kopf. Als wäre es ein abgekartetes Spiel hüpfen uns da auch schon zwei Hostessen entgegen, die in ihren Reflektor-Schlüpfern aussehen als hätten sie nach der Loveparade 1994 den Heimweg nicht mehr gefunden. Sie geben uns „Paar aufs Maul“. Ja, so heißt das Getränk tatsächlich, und besteht wahlweise aus mit Koffein versetztem Apfelwein oder Bier, - NUFF SAID! Weiter geht’s auf dem Fritteusen-Highway, links und rechts brodelt das Öl und soweit das Auge reicht schimmert es goldgelb von kleinen weißen Papptellerchen. Dicke und dünne Fritten, in Scheiben geschnittene oder wahlweise in Rosen- oder Gitterform gepresste Pommes, Kroketten und Wedges. Am Ende des Gangs dann endlich der erste Stand ohne Fritteuse, der Weltmarktführer in Sachen Tomatenketchup verschenkt Hotdogs. Sie gleichen dem Modell einer bekannten schwedischen Möbelhauskette, sind aber gut doppelt so groß. Dabei geht es hier gar nicht um die Wurst, sondern um die unzähligen Soßen die in überdimensionierten Plastik-Eutern von der Decke baumeln. Runter damit und ab in den nächsten Gang. Ganz klar, das ist das Panaden-Paradies! Unvorstellbar was sich alles in Nuggetform pressen lässt. Chicken und Camembert, Fisch und Schwein, Broccoli und Mozzarella, Shrimps und Krabbenfleisch. Überall freundliches Messepersonal, das stolz verkündet wie glaubhaft echt die eigene Füllung doch nach Filet aussehe, obwohl *augenzwinker* davon nicht die Rede sein könne. Schnell weg hier! Noch ein einziger frittierter Bissen und ich erleide einen Cholesterin-Kollaps. Wir wechseln die Halle um dem süßen Odeur von Backfett zu entrinnen und siehe da, gleich nebenan erwartet uns im geruchsneutralen Ambiente, ein freundlich lächelnder Herr im schnittigen Dreiteiler. Auf ein dünnes Holzstäbchen hat er eine weiße Paste geschmiert die irgendwie nach Schweineschmalz aussieht. Er reicht sie uns zum probieren und fragt schelmisch „Na, wonach schmeckt das?“ Marco und ich wechseln ratlose Blicke und verkünden unisono: „Nach rein garnix!“ „Richtig!“ entgegnet uns der gelackte Typ, sichtlich stolz. „Unser Produkt hat den diesjährigen Innovationspreis gewonnen, es handelt sich um einen rein pflanzlichen, farb- und geschmacksneutralen Texturgeber. Das können sie in ihr Hackfleisch mischen und die Bulette bleibt auch noch Stunden nach dem braten schön saftig.“ „Na Mahlzeit!“ entwischt es mir angewidert und wir ziehen schleunigst weiter, vorbei an Tetrapackpyramiden mit Vollei, vorbei an Meterware aus hart gekochtem Ei (jede Scheibe gleich), vorbei an allen nur erdenklichen und unerdenklichen Absurditäten der Lebensmittelindustrie, die die Frechheit besitzt ihre Chemiekeulen Lebensmittel zu nennen. Mehrere Stunden und viele fragwürdige Snacks später gelingt es uns schließlich, mit einigen hervorragenden Tassen Espresso, sämtliche künstliche Aromen vom Gaumen zu gurgeln bevor wir uns auf den Heimweg machen. Eines steht am Ende des Tages für mich fest: Unileber, Mästlé und Konsorten sind verdammt perfide, sie arbeiten mit großem Eifer an ihrer Camouflage-Convenience. Also entweder zum Burgerbräter deines Vertrauens oder gleich selber machen, sonst schmeckt die Bulette von gestern auch morgen noch so saftig wie heute. Andererseits, wer sein Hähnchenfilet zum Braten in Gewürzpapier wickelt oder sein „Don’t-Call-It-Schnitzel“ im Toaster zubereitet, der hat es wahrscheinlich auch nicht anders verdient. Denn wie heißt es doch so schön: Der Mensch ist, was er isst.
In diesem Sinne Mahlzeit allerseits.

Text: Andreas Stanita
Bild: Guerilla Gourmets


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Rebecca Neff