WOW Interview
Heidelberg hat nicht gerade ein Überangebot an Orten zeitgenössischer Kunst zu bieten. Grund genug, einmal bei Pascal Baumgärtner nachzufragen, was es mit seinem Projekt WOW auf sich hat, mit dem der junge Galerist derzeit in Bergheim ansässig ist.
subculture: Pascal, was ist WOW und was steckt genau dahinter?
Pascal: WOW ist eine Nachtgalerie für zeitgenössische Kunst, wobei wir uns hauptsächlich auf Street-Art in all ihren Facetten konzentrieren. Uns gibt es seit April diesen Jahres in der aktuellen Location in der Emil-Meier-Str.9. Allerdings haben wir mit dem übergeordneten Projekt by Willibender bereits seit 2012 mehrere andere ungenutzte Gebäude in Heidelberg zu temporären Galerien und kreativen Orten umgewandelt. Ein Beispiel war das ehemalige Möbelhaus in der Vangerowstrasse.
sc: Du bist ja nicht erst seit by Willibender kulturell in Heidelberg aktiv. Welche Stationen haben denn letztendlich zu deinem aktuellen Projekt geführt?
Die Anfänge waren 2008 mit dem Subkulturellen Fortschritt, der gemeinsam mit meinem befreundeten Partner Patrick Forgacs ins Leben gerufen wurde. Zusammen haben wir Projekte wie den Subkulturellen Herbst auf dem Friedrich-Ebert-Platz, den Patrick jetzt als Herbst/Zeit/Lose weitermacht, oder die temporäre Galerie Volksstudio initiiert. Zwar hat sich der Subkulturelle Fortschritt letztendlich in unterschiedliche Bereiche aufgesplittet, allerdings ist die Motivation geblieben.
sc: Was hat es mit den stetig wechselnden Räumlichkeiten auf sich?
Ein gewisses Nomadentum ist von Anfang an Teil des Konzepts gewesen. Veränderung macht gerade in einer Stadt wie Heidelberg einen besonderen Reiz aus: beispielsweise, wenn Besucher sich wundern, was vorher in einer Location gewesen sei und dass sie das Gebäude nie bewusst wahrgenommen hätten. Allerdings würden wir uns gerne auch längerfristig eine örtliche Basis legen, ohne das Konzept jedoch grundlegend aufzugeben.
sc: Ist das Projekt eine rein persönliche Leidenschaft oder siehst du in Heidelberg einen konkreten Bedarf, den du bedienen möchtest?
Das persönliche und das öffentliche Interesse haben sich an einem bestimmten Punkt wohl einfach gedeckt. Heidelberg ist nun einmal eine sehr bürgerlich-akademisch geprägte Stadt, die erst seit kurzem und langsam jener Szene Aufmerksamkeit schenkt, die sich abseits des Etablierten bewegt. Als wir 2008 anfingen, gab es definitiv eine Angebotsknappheit und eine Menge Leute, die hungrig nach Neuem waren.
sc: Stichwort Etablierung: Wie beurteilst du das Verhältnis zu etablierten Kulturkreisen in HD?
Das Feedback steigt definitiv an, auch aus Kreisen, die eher dem bürgerlichen Milieu zuzuordnen sind. Bei Vernissagen haben wir zu 80% ein hauptsächlich kunstinteressiertes Publikum. Da geht es darum, die Kunst und die Arbeit des Künstlers zu erklären und zu vermitteln. Bei Midissagen sind es dann eher die Schaffer aus der kreativen Szene. Diese Leute brauchen Orte an denen etwas passiert, an denen sie sich inspirieren lassen und austauschen können. Ich finde es schön, dass wir so ein gemischtes Publikum ansprechen.
sc: Siehst du eigentlich einen Konflikt darin, Street-Art, die ja ursprünglich auch immer die Eroberung des urbanen Raums bedeutete, im kulturbürgerlichen Kontext einer Galerie auszustellen?
Natürlich sehe ich das kritisch. Gleichzeitig müssen die Künstler aber auch verkaufen, um davon zu leben. Wir bieten daher einfach eine Plattform und einen Link zu potenziellen Käufern. Aber es gibt sicherlich diesen schmalen Grat zwischen urbanem Schmutz und dem cleanen Raum der Galerie, wo man es ja auch in einem gewissen Rahmen präsentieren muss.
sc: Was bedeutet dieses Etikett also eigentlich konkret für dich?
Street-Art ist eigentlich eher eine Kategorisierung für den Rezipienten. Die Künstler kommen eben von der Straße oder ursprünglich aus dem Graffitibereich. Gleichzeitig geht es um eine gewisse Attitüde. Selbst hier in der Galerie arbeiten die Künstler wie an einer Wand, also beispielsweise mit Farbnasen oder Rissen im verwendeten Material. Wir mögen daher einfach den urbanen Charakter, dass es nicht zu 100% clean ist.
sc: Was steht für die nahe Zukunft an und wo siehst du WOW langfristig?
Anfang November starten wir eine Ausstellung mit Atom aus Wuppertal, auf die wir uns sehr freuen. Ein langfristiges Projekt ist beispielsweise die Gestaltung von Ateliers und Galerieräumen in der Bahnstadt, das wir mit by Willibender realisieren werden. In einiger Zeit sehe ich uns einfach als eine etablierte Galerie, die aber immer noch zeitgenössische Kunst jenseits des Mainstream zeigt und das gerne auch überregional.