Interview: 50 Weapons

Aus Spaß wurde Ernst / Ein Interview mit Modeselektor über ihr Label 50 Weapons & anderes...

Ende der 90er fanden sich Sebastian und Gernot in der voll aufblühenden Elektro-Szene Berlins zusammen, um unter dem Namen Modeselektor zunächst als DJ–Team, dann auch als Live-Act und Produzentenduo für Furore zu sorgen. Nach der Veröffentlichung einiger Singles auf BPitch Control folgte 2005 ihr Debütalbum „Hello Mom!“ und damit ihr endgültiger Durchbruch auf internationaler Ebene. Seit 2009 betreiben sie mit 50 Weapons und Monkeytown Records gleich zwei eigene Labels. Ende März gastierten Modeselektor mit ihrer aktuellen Tour in Heidelberg. Wir haben ihnen einige Fragen zu ihrer Arbeit als Labelchefs gestellt.

subculture: Wie kam es zu der Entwicklung von 50 Weapons vom reinen Bootleg- bzw. Whitelabel Output, zu einem vollständigen Label mit eigener 12"-Serie und Künstler-Soloalben?

Modeselektor: "Aus Spaß wurde Ernst, und Ernst lernt jetzt gerade laufen", sagt das Sprichwort! Ursprünglich sollten auf 50 Weapons nur 50 Cent-Bootlegs erscheinen, und zwar genau 50 Stück! Was natürlich eine total bescheuerte Idee war. Irgendwann kamen wir immer mehr von dieser Schnapsidee ab. Dass das Label jetzt so ist, wie es ist, hat vielleicht damit zu tun, dass wir mit der Zeit reifer geworden sind...?

sc: Hat 50 Cent euren Remix von 2006 jemals gehört?

MS: Ich glaub nicht… Du meinst aber das Bootleg, nicht einen Remix, oder? Unser erstes 50 Weapons-Release.

sc: Bleibt ihr bei dem ursprünglichen Plan, dass nach 50 Releases Schluss ist?

MS: Das ist die Idee. Aber wir haben ja jetzt ne ganze Menge Künstler, die da Mitspracherecht haben. Mal sehen!

sc: Seht ihr euer Label eher als Plattform oder als Mutterschiff?

MS: Eindeutig als Plattform.

Modeselektor arbeiten als Labelchefs nicht nur im musikalischen Bereich mit vielen Künstlern zusammen. Auch die liebevoll und ansprechend gestalteten Cover sowie die Musikvideos ihrer eigenen Releases und ihrer Labels tragen ihre eigene Handschrift. Während Monkeytown etwas bunter und knalliger in der Ästhetik ist, steht 50 Weapons für einen zeitgemäß reduzierten und rauhen Style.

sc: Man sieht in eurer 12"-Serie nicht nur eine Entwicklung im musikalischen, sondern auch im grafischen Aspekt. Inwieweit ist euch die visuelle Ästhetik eurer Releases wichtig?

MS: Wie sagt man so schön: das Auge isst mit! Angefangen haben wir mit gestempelten 12", dann kamen Portait-Cover der 12" Serie dazu. Die Covergestaltung der Alben erfolgt in enger Zusammenarbeit mit den Künstlern.

sc: Mit Monkeytown und 50 Weapons betreibt ihr parallel zwei Labels. Nach welchen Kriterien platziert ihr die Acts auf den Labels?

MS: Das entscheiden wir nach Gefühl! Es hat sich glücklicherweise sehr schnell herauskristallisiert, in welche Richtung die Labels jeweils gehen würden. Damit meinen wir nicht nur das Musikalische, sondern auch das visuelle Image. Mittlerweile kommen immer genauer adressierte Demos zu uns, die explizit für 50 Weapons oder Monkeytown gedacht sind. Was den Unterschied zwischen 50 Weapons und Monkeytown ausmacht, sollte man am besten selbst herausfinden!

Viele Künstler aus unterschiedlichen Ländern, die Modeselektor im Laufe ihrer Karriere getroffen und kennen gelernt haben, bedeuten auch viele unterschiedliche Einflüsse, die sich in ihrer Musik widerspiegeln. Die Vielfalt ihrer Remixe und Kooperationen reicht von Radiohead und Björk über Kalkbrenner und Aparat bis hin zu Fettes Brot und Miss Platnum. 2008 wurden sie sogar zum besten Dubstep & Grime Artist auf der Online Plattform Beatport gewählt.

sc: Wie beeinflussen euch die neuen Sounds und Strömungen aus England bzw. die Berliner Elektro & Techno Szene?

MS: Wo genau eine Inspiration herkommt, spielt eigentlich keine große Rolle! Es gibt innovative und mutige Musiker, die genau wissen was sie wollen. Das hören wir sofort heraus! Es stimmt auch, dass sehr viel dieser Innovation aus UK kommt. Aber es kommt mindestens genau so viel aus den USA, Frankreich oder dem Rest der Welt! Wir jedenfalls sind immer wieder auf der Suche nach Neuem, ignorieren aber nicht die schon gestandenen und immer noch wegweisenden Musiker.

sc: Ihr werdet ja auch mit Dubstep assoziiert. Wie seht ihr persönlich die aktuellen Entwicklungen im Bereich Dubstep?

MS: Das ist eine Frage, die man ungern gestellt bekommt, weil sie einem vor Augen hält, wie schnell die Zeit vergeht! Als Dubstep begann, war da noch dieser Zauber des Neuen da! Vieles war noch offen und nicht entdeckt. Keiner wusste wo die Reise hingehen sollte und erste Lager entstanden. Heute hat der populäre, kommerzialisierte und amerikanisierte Dubstep nicht mehr viel mit dem zu tun, was früher unter diesem Namen geführt wurde. Aber wir finden es extrem wichtig und gut, dass sich Dinge verändern! Das schafft Platz für Neues!

sc: Euer jüngstes Signing, Addison Groove, erwähnte vor kurzem in einem Interview, das Label würde demnächst expandieren. Was ist damit gemeint und was können wir im nächsten Jahr von 50 Weapons erwarten?

MS: Für 2012 sind neben Addison Groove weitere Alben geplant! Im Sommer wird Shed, der bis jetzt auf Ostgut Ton veröffentlichte, einen Longplayer auf 50 Weapons herausbringen. Doch davor wird unser guter alter Freund und Weggefährte Phon.O ein Album namens "Black Boulder" im Frühling veröffentlichen. Weitere Alben von Cosmin TRG und Anstam sind in Planung. Dann wird es noch diverse 12inches von Dark Sky, Anstam und Cosmin TRG geben. Vielleicht auch von A.T.O.L., unserem gemeinsamen Projekt mit Marcel Dettmann und Shed. Mal sehen...

sc: Noch irgendwas zum Thema Rave?

MS: Nö! Macht halt Spaß!

sc: Vielen Dank für das Interview!

Das aktuelle Modeselektor Album „Monkeytown“ gibt es seit Ende 2011 beim Musikdealer eures Vertrauens. Wir legen euch ganz besonders die Releases auf 50 Weapons ans Herz, dessen Output unserer Meinung nach zu dem Interessantesten zählt, was die deutsche Label-Landschaft zu bieten hat.

Rebecca Neff